Fleisch - Kein Essen mit Tradition

In der japanischen Küche haben Fleischgerichte keine jahrhundertealte Tradition. Zumindest ist diese Tradition nicht ungebrochen.

Ganz im Gegensatz zu Fischen und Meerestieren, die immer ihren festen Platz in der Küche Japans hatten, fanden Fleischgerichte ihren Weg erst wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurück in japanische Küchen. Lange Zeit vor dem buddhistischen Verbot des Fleischverzehrs war es jedoch auch in Japan, zumindest bei den gut betuchten Japanern üblich, Fleisch zu essen. Allerdings war der GenuΒ von Pferde- und Rindfleisch verboten, denn die Tiere von denen dieses Fleisch stammt, waren für Transport und Feldarbeit unerläΒlich. Das Verbot, Fleisch zu verzehren, wurde aus einer Not geboren. Eine groΒe Hungersnot, die ganz Japan erfaΒte, zwang dazu auf Fleisch zu verzichten und dafür auf andere Nahrungsmittel zurückzugreifen. Die Hungersnot machte vor niemandem Halt.

Zunächst galt das Verbot nur für die buddhistischen Mönche. Doch die Reichen, die häufig in den buddhistischen Klöstern verkehrten und regen Umgang mit den Mönchen hatten, schlossen sich gerne der neuen »Mode« an. Schnell verselbständigte sich das Verbot.

Obwohl das Volk besonders unter der Hungersnot litt, wollte es nicht hinter den Reichen zurückstehen und nahm das Verbot ebenfalls für sich in Anspruch. Der Verzehr von Fleisch galt fortan als Sünde. Dieses ungeschriebene Gesetz hielt sich bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Doch plötzlich forderten fortschrittliche Japaner eine Aufhebung des Verbots. Sie waren der neuen Welt gegenüber besonders aufgeschlossen und begierig alles Neue zu erfahren. So wollten sie auch nicht länger auf Rindfleisch verzichten.

Sie hielten das strenge Verbot für längst überholt und wollten sich den neuen Zeiten anpassen. Die Japaner öffneten ihre Grenzen 1873 für Ausländer, was ausschlaggebend für die Aufhebung des Verbots war. Vom Kaiser wurde ein ErlaΒ gegeben, daΒ von nun an das Fleischessen wieder erlaubt sei. Nachdem die japanischen Grenzen für Fleischgerichte offen waren, wurden sie zunächst in den Restaurants erprobt und langsam von den Haushalten übernommen.

Kobe-Beef

Das Wiederaufleben des Fleischverzehrs führte in Japan zu einem besonderen Kult. Dieser galt ganz besonders dem Rindvieh. SchlieΒlich würde ein Japaner niemals einen dicken, fetten Schweinebraten essen, oder ein bei uns sehr geschätztes Rumpsteak mit einem dicken Fettrand. Fleischgerichte dieser Art halten Japaner auch heute noch für ungenieΒbar.

Das von ihnen am meisten geschätzte Fleisch ist das Kobe-Beef. Ein besonderes Rindfleisch, das weiΒ-marmoriert, also gut von Fett durchzogen ist. Da in Japan hauch-dünn geschnittene Rindfleischscheiben geschätzt werden - ob für Sukiyaki, Shabushabu oder fein mariniert - muΒ das Fleisch vor dem Austrocknen geschützt sein. Nun bietet ein Rind, das tagaus, tagein auf der Weide steht, nicht in jedem Fall wunderbar marmoriertes Fleisch. Im Gegenteil: es bildet sich nur an bestimmten Stellen eine Fettschicht. Aus diesem Grund muΒten sich die Japaner eine Alternative zur konventionellen Weidehaltung einfallen lassen. Ob Rind oder Ochse, in Japan verbringt jedes Tier die drei Jahre seines kurzen Lebens gehegt und umsorgt. Zwar gibt es im modernen Japan inzwischen die Stallhaltung, aber auch dort wird den Tieren die gleiche Pflege angetragen wie auf der Weide.

Rinder preisgekrönter Zucht, verbringen ihr verwöhntes Leben auf luxuriösen Tierfarmen. Dort ist das Wasser ebenso von bester Qualität, wie das Futter. Darüber hinaus wird das Vieh so liebevoll gepflegt, wie es nur bei Rassepferden üblich ist. Jeden Tag wird das Rindvieh sorgfältig massiert. Das kann mit Sake, Bier oder Öl sein, am liebsten allerdings mit Gin. Durch diese tägliche Massage verteilt sich das Fett gleichmäΒig im ganzen Fleisch. Dabei muΒ der Masseur sanft und vorsichtig vorgehen, damit das Fleisch hinterher auch wirklich die feine, weiΒe Marmorierung bekommt. Neben dem ausgesuchten Futter bekommen die Tiere in den letzten Wochen ihres Lebens auch noch Bier zu trinken. Das scheint sie glücklich zu machen, dient letztendlich aber nur der Mast.

Das beste Fleisch ist das mit der stärksten Marmorierung. Dieses als Raureif- shimofuri - bezeichnete Fleisch hat den höchsten Preis.

Kobe-Beef ist auch in Japan ein besonderer Luxus, aber es ist eben auch von besonderem Geschmack. Verzweifeln Sie jedoch nicht, wenn Sie Schwierigkeiten haben, das echte Kobe-Beef zu bekommen. Es darf für unsere Ansprüche ruhig einmal deutsches Rindfleisch sein, das aber gut marmoriert sein sollte.

Schwein und Geflügel

Es ist noch nicht einmal sehr lange her, daΒ die Japaner Schweinefleisch als grundsätzlich nicht eΒbar verachteten.

Mittlerweile ist der Verzehr von Schweinefleisch in Japan nicht mehr gar so verpönt. Allerdings essen auch heute noch die Japaner längst nicht alles vom Schwein. So läΒt ihnen ein fettes, saftiges Eisbein immer noch einen Schauer den Rücken herunter-laufen. Gegen ein zartes, mageres Schweinefilet haben sie hingegen gar nichts einzuwenden. Und ein Schweinebraten, der doch einmal zu fett erscheint, wird in grünem Tee entschlackt. SchlieΒlich wird grüner Tee auch getrunken, um selbst ein wenig an Fett zu verlieren. Schweinefleisch würde von einer japanischen Hausfrau jedoch niemals für solche Gerichte wie SUKIYAKI (Rezept Seite 104) oder SHABUSHABU (Rezept Seite 101) verwenden. Dafür eignet sich wirklich nur allerfeinstes Kobe-Beef. Zartes Geflügel, ob Hahn, Hühnchen oder Ente ist in der japanischen Kirche sehr beliebt. Geflügel wird gebraten, gedünstet, marmoriert und oft gehackt als Füllung verwendet. Hier darf sogar eine Ente ihr Fett behalten, aber nur, wenn sie mit Fett und Haut knusprig braun gebraten wird.